Philosophische Praxis:
Eine gemeinsame Suche nach einem erfüllenden Leben

Praxis, Philosophische.
Den Begriff ‹Ph.P.› hat G. B. ACHENBACH 1981 bei der Gründung seines ‹Instituts für Ph.P.› geprägt: unter Ph.P. versteht er die professionell betriebene «philosophische Lebensberatung», die «in der Praxis» eines Philosophen geschieht. «In der Ph.P. werden wir nicht als Lehrer der Philosophie gefordert, sondern als Philosophen». «Die konkrete Gestalt der Philosophie ist der Philosoph: und er, der Philosoph als Institution in einem Fall, ist die Ph.P.». Dabei ist «die Ph.P. ... ein freies Gespräch. ... Sie ... verordnet keine Philosopheme ..., verabreicht keine philosophische Einsicht, sondern sie setzt das Denken in Bewegung: philosophiert» zusammen mit dem Ratsuchenden – den sie nicht als «Fall» unter vorgegebene Problem- und Lösungsschemata subsumiert, sondern auf den als Individuum sie eingeht – und kann so helfen, indem sie seine Orientierungsblockaden lockert und aufhebt: die «Ph.P. weiß nicht Bescheid, manchmal aber weiter».“
(
Odo Marquard: Historisches Wörterbuch der Philosophie)

Eine Philosophische Praxis ist als Institution keine eigenständige philosophische Disziplin, steht aber nichtsdestoweniger im Spannungsfeld zwischen der auf das Sein gerichteten theoretischen Philosophie, der auf das Sollen gerichteten praktischen Philosophie – deren bekanntester Teil wahrscheinlich die Ethik ist – sowie der Anwendung philosophischer Ideen auf konkrete Lebensumstände.

Die inhaltliche Bestimmung einer Philosophischen Praxis gestaltet sich umso schwieriger, als sich in ihrer fast 25(00)-jährigen Tradition aufgrund ihres zutiefst innovativen Charakters keine ‚Methode‘ durchgesetzt hat, was wiederum auf eine wesentliche Eigenschaft von Philosophie überhaupt hinweist, nämlich, sich jeder Art von Methodenzwang zu entziehen.

Somit bezeichnet der Begriff ‚Philosophische Praxis‘ den Ort, wo Menschen gemeinsam philosophieren, einen Ort der Tätigkeit, des Prüfens – immerhin war für Sokrates nur ein geprüftes Leben lebenswert –, des Fragens bzw. Hinterfragens individueller Denkmuster und nicht zuletzt des Staunens, um dadurch die Fähigkeit zu entdecken, das eigene Leben selbstverantwortlich, selbstständig und sinngebend  1 
1) Vgl. hierzu Reinhard Zaiser: Die Bedeutung von Viktor E. Frankls Logotherapie und Existenzanalyse für die Philosophische Praxis. In: Dominik Batthyány u. Otto Zsok (Hrsg.): Viktor Frankl und die Philosophie. Wien, New York: Springer-Verlag (2005). S. 299-304. Und Reinhard Zaiser: Working on the noetic dimension of man: Philosophical practice, logotherapy, and existential analysis. In: Philosophical Practice Vol. 1, Nr. 2 (July 2005) S. 83-88.
zu gestalten.

„Bis dahin kann man keine Philosophie lernen; denn, wo ist sie, wer hat sie im Besitze, und woran läßt sie sich erkennen? Man kann nur philosophieren lernen, d.i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Prinzipien an gewissen vorhandenen Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder zu verwerfen.“
(Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft)



„Daß zwischen der Theorie und Praxis noch ein Mittelglied der Verknüpfung und des Überganges von der einen zur anderen erfordert werde, die Theorie mag auch so vollständig sein wie sie wolle, fällt in die Augen; denn, zu dem Verstandesbegriffe, welcher die Regel enthält, muß ein Actus der Urteilskraft hinzukommen, wodurch der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel sei oder nicht [...].“
(Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis)



„Da nun die Untersuchung, die uns hier beschäftigt, nicht wie die anderen sonst zu rein theoretischem Zweck angestellt wird (denn nicht um bloß zu wissen, was sittliche Trefflichkeit ist, behandeln wir den Gegenstand, sondern in der Absicht dadurch zur Tüchtigkeit zu gelangen, da wir uns sonst durch sie nicht gefördert fühlen würden), so ist es geboten die Frage nach der Art und Weise des Handelns ins Auge zu fassen und zu sehen wie man diese einzurichten hat.“
(Aristoteles: Nikomachische Ethik)



„Kümmer dich um dein Leben
Und dann, kümmer dich um uns!
Die Schäden können wir beheben,
das ist nicht die Kunst.
wir müssen was bewegen,
sonst bewegt sich nichts.
Es geht nicht nur um dein Leben,
sondern ob es ein Leben ist.“
(Söhne Mannheims: Dein Leben)



 

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